Ich lebe ein völlig falsches Leben. Meiner Veranlagung nach bin ich
sündenfaul, stattdessen muss ich dauernd fleißig sein...
Meine Frau, die mir grad über die Schulter geschaut hat, ist offenbar
anderer Meinung: „Ah, geh`, Daddy“, hat sie gesagt, „lüg nicht so
schamlos. Ausgerechnet du Perfektionist behauptest, du seist faul.
Dabei...“
Ich hab` sie dann nicht weiterreden lassen, weil ich genau gewusst hab`,
was nun kommt. Aber weil de Hilde im Grunde wohl Recht hat, fange ich
noch einmal von vorn an:
Also, ehrlich: Ich bin schon gern einmal ein bißchen faul, aber lang
halte ich das nie aus. Dann brauche ich meine Arbeit. Und dabei, da hat
meine Frau recht, bin ich nun wirklich ein Perfektionist. Ich probe so
lange, bis ich das Gefühl habe: Jetzt stimmt`s hundertprozentig.
Es ist eine Binsenweisheit, dass die Götter vor dem Erfolg den Schweiß
gesetzt haben. Aber nirgendwo ist das Wort so wahr wie in meinem Beruf.
Wer glaubt, er könnte ein Lied, einen Sketch, einen Auftritt aus einem
Ärmel schütteln, der wird es nicht weit bringen. Aber letzten Endes ist
das ja wohl auch in jedem anderen Beruf so, daß man ohne anständige
Arbeit immer auf den unteren Sprossen der Erfolgsleiter hängen bleiben
wird.
Ich meine gar nicht, dass jeder Mensch nun eine große Karriere im Beruf
machen muß, um glücklich zu werden. Aber man soll doch versuchen, so
eine Einstellung zu seiner Arbeit zu finden, daß sie einem auch Freude
und Befriedigung verschafft. Um das zu erreichen, muss man sich halt ein
bissel Mühe geben.
Wer glaubt, er sei so genial, dass er alles mit der linken Hand machen
könnte, wird grausam Lehrgeld zahlen müssen. Ich staune immer wieder,
mit welcher Unbekümmertheit manche meiner jungen Kolleginnen und
Kollegen an ihre Arbeit herangehen. Da kommen sie daher, haben nichts
geübt und nichts gelernt, trällern mehr schlecht als recht ein Liedchen
und staunen dann ganz schrecklich, daß ihnen das Publikum nicht zu Füßen
liegt. So etwas ist nicht nur überheblich, es ist auch schlicht dumm.
Das macht man einmal, das macht man zweimal, dann spricht es sich herum,
und schon ist man weg vom Fenster, um es einmal salopp zu sagen. Keiner
von uns ist so groß, daß er ohne Fleiß und Arbeit auskommen könnte. In
keinem Beruf, und in meinem ganz besonders.
Wer glaubt, er hätte das nicht nötig, wird – zum Beispiel niemals in
einer Peter-Alexander-Show auftreten können. Ich arbeite mit niemand,
der morgens „unstudiert“ zur Probe kommt, der seinen Text nicht richtig
gelernt hat, der nur mal ganz schnell ohne Einsatz seine Gage verdienen
will.
Weil ich`s in meinen Shows wirklich so gut wie möglich haben will,
weil`s eben perfekt sein soll, plage ich mich mit Kollegen, die mir
ihrer – Verzeihung – Faulheit nur die Arbeit von uns anderen stören, gar
nicht lange herum. Denen sage ich guten Tag und guten Weg, und wir
trennen uns.
Ob es das schon gegeben hat? Aber natürlich! Doch will ich nicht so
indiskret sein, hier Namen zu nennen. Ich hoffe nur, die Betroffenen
haben daraus gelernt. Denn jeder von uns lernt ja aus nichts so gut wie
aus seinen Fehlern. Eine Blamage, die man sich selbst eingebrockt hat,
vergisst man nie. Beim zweiten Mal ist man – nun ja, halt ein bißchen
fleißiger. Je früher man lernt, um so besser. Darum tun wir unseren
Kindern sicher keinen Gefallen, wenn wir ihnen alle Steine aus dem Weg
räumen. Sie müssen selbst anpacken und lernen, was Arbeit heißt.
Damit wir uns recht verstehen: Streber habe ich in der Schule nicht
leiden können. Und Streber bringen es ja Gott sei Dank im Leben auch
meist gar nicht so weit. Weil Sich-lieb-Kind-Machen bei Lehrern und
Vorgesetzten und Anständige-Arbeit-Verrichten nämlich zwei Paar Schuhe
sind.
Als junger Mensch sieht man das nicht so recht ein. Ich jedenfalls hab`s
nicht eingesehen damals, daß ein Leben ohne Arbeit gar kein richtiges
Leben ist. Dass man seine Freizeit erst eigentlich recht genießen kann,
wenn man das Gefühl hat, seine – jetzt kommt ein ganz altmodisches Wort,
ohne das wir aber auf die Dauer in unserem ganzen Leben nicht auskommen
werden – wenn man also das Gefühl hat, seine Pflicht getan zu haben.
Mir jedenfalls gibt dieses Gefühl erst die innere Ruhe, mich meiner
Faulheit in den Mußestunden richtig freuen zu können. Ein schlechtes
Gewissen, auch was unsere Arbeit angeht, ist noch nie ein gutes
Ruhekissen gewesen. Und wie glücklich eine gute Arbeit machen kann! Ob
das nun ein sauber gesungenes Lied ist, ein gut gelungener Topfkuchen
aus dem Ofen der Hausfrau, die glatt verputzte Hauswand eines Maurers
oder das Futterhäuschen, das ein Kind im Winter für die hungernden Vögel
bastelt.
Peter Alexander
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