P. Dr. Franjo Vidovic
Direktor der KPHE der Diözese Gurk-Klagenfurt
Die 7 Todsünden


5. Völlerei / Masslosigkeit (Lateinisch: Gula)
Verlust des rechten Maßes

Der rechte Umgang mit Nahrung und der solidarische Blick auf den Nächsten sind in der Todsünde der Völlerei verloren gegangen.

Wenn wir im Zusammenhang mit Essen und Trinken an Sünde denken, dann handelt es sich zumeist um „Diätsünden“, also darum, so viel gegessen zu haben, dass wir davon zu- und nicht abnehmen. Ansonsten tun wir uns schwer, mit der Todsünde Völlerei etwas anzufangen. Was soll an gutem Essen und Trinken schlecht sein? Geht es dabei, wie bei der Unzucht, einfach nur darum, alles, was Lust bereitet, zu verbieten?

Ein den Körper schädigendes Verhalten

Die Kirche hat ein radikales, den Körper schädigendes Fasten immer abgelehnt. Essen und Trinken sind im Alten und Neuen Testament zentrale Motive. Essen und Trinken stehen nicht nur für die Erfüllung existentieller Bedürfnisse, sondern auch für Gastlichkeit, für Gemeinschaft, für das Miteinander. Jesus hält bei der Hochzeit zu Kana keine Predigt gegen die Völlerei, er sorgt für mehr Wein. Das lateinische Wort für Völlerei bringt uns der Bedeutung näher: gula bedeutet die Fressgier, das Hineinschlingen von Nahrung weit über den Hunger hinaus. Gerade die alten Römer waren bekannt für ihre Gastmähler, bei denen Unmengen an teuren Lebensmitteln aufgetragen wurden und die Telnehmer zwischen den einzelnen Speisen absichtlich Erbrechen herbeiführten, um dann weiteressen zu können.

Mangelnder Respekt für andere Menschen

Dieser Umgang mit Nahrung zeugt von Respektlosigkeit und Verantwortungslosigkeit gegenüber den Nahrungsmitteln selbst, aber auch gegenüber den anderen Menschen: Im antiken Rom war die Mehrzahl der Menschen auf eine knapp bemessene Ration an Brot, Wasser und Oliven angewiesen, während in den Häusern der Reichen Lebensmittel von überall aus dem Imperium aufgetischt wurden. Nicht anders als heute, wo wir möglichst exotische Lebensmittel möglichst billig auf unseren Tischen sehen wollen, ohne zu fragen, ob diejenigen, die ernten, sie nicht dringender brauchen oder wenigstens gut dafür bezahlt werden.

Reduktion des Menschen auf seine Gier

Gula, das ist die Gier nach mehr, nach dem, was man nicht braucht, sondern haben, verschlingen will. Auf den sich biegenden Tischen stellen wir scheinbar unseren Reichtum und unseren guten Geschmack zur Schau, während wir in Wirklichkeit unsere Unmäßigkeit und unsere Rücksichtslosigkeit bloßstellen. Völlerei ist das Gegenteil der Mahlgemeinschaft. Bei der Völlerei geht es darum, selbst möglichst viel zu verschlingen, geht es um die Nahrung. Bei der Mahlgemeinschaft geht es um das Teilen, um das Miteinander. Die Völlerei wird in alten Bildern als üppige, wie wir sagen würden, fette Gestalt dargestellt, die ihr Fett als Panzer gegen ihre Mitmenschen vor sich her trägt. Völlerei macht unempfindlich gegen die Bedürfnisse unserer Nächsten. Wie der Neid reduziert sie den Menschen auf sich selbst und seine Gier.

Unsichtbare wie sichtbare Deformation

Völlerei bedeutet einen Missbrauch der von Gott gegebenen Nahrung, aber auch einen Missbrauch des eigenen Körpers. Die Auswirkung der Völlerei ist eine sichtbare und eine unsichtbare Deformation. Nicht nur der Körper, sondern auch das Herz verfettet, wie eine genaue Übersetzung von Ps 95,8 euer Herz ist verhärtet) heißt. Die Völlerei kann viele Formen annehmen: die Gier nach viel Nahrung, nach teurer Nahrung, nach teuren Restaurants, nach exzessiven Festen. Immer geht es um das unkontrollierte Zuviel ohne die Rücksicht darauf, wo es ein Zuwenig gibt.

Anmerkung der Redaktion:
Alle Fotos unterliegen dem Copyright © der Kärntner Kirchenzeitung "Der Sonntag", welche uns diese freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Herzlichen Dank! Für die Druckerlaubnis danken wir dem Autor und der Redaktion der Kärntner Kirchenzeitung "Der Sonntag" recht herzlich!